Thema des Monats 09.03.2010

„Beweglichkeit entscheidet“

Wie sieht die Zukunft des inhaber­geführten PBS Fachhandels aus? Und was können Großhandel und ­Industrie dafür tun? Der PBS Report hat Klaus Danne, Geschäftsführer der Georg Kugelmann GmbH, und Sven Schneller, Geschäftsführer der Herma GmbH, zu einem gemeinsamen Gespräch gebeten.

Herma
Herma

Herr Danne, Wie sieht ein Großhändler die Lage der PBS-Fachhändler? Wohin geht die Reise?
Danne: Natürlich gibt es eine Reihe von Fachhändlern, die am Rande der Wirtschaftlichkeit arbeiten oder das akute Thema Kreditklemme schon am eigenen Leib gespürt haben. Grundsätzlich sind die Chancen für den inhabergeführten Fachhandel nach unserer Einschätzung derzeit aber recht gut.
Was stimmt Sie so optimistisch?
Danne: Es gibt mehrere Gründe. Die klassischen Warenhäuser wie Karstadt, Hertie und Woolworth befinden sich in der Krise. Das schafft interessante Marktlücken, so dass wir sogar Neugründungen von PBS-Fachhändlern beobachten. Das Internet ist für unsere Kunden, die durchschnittlich etwa 100 qm Verkaufsfläche haben, kein wirklicher Wettbewerber. Außerdem tendiert auch der PBS-Fachhandel immer stärker zur Filialisierung, ein Weg, der zum Beispiel bei Fleischereien und Bäckereien schon seit vielen Jahren zu beobachten ist. Auch darüber lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Allerdings: Die Beweglichkeit entscheidet künftig viel stärker über den Erfolg eines Fachhändlers, als es vielleicht in der Vergangenheit der Fall war.
Wie meinen Sie das?
Danne: Ganz praktisch gesehen, sollte der Fachhändler dort hingehen, wo auch der Endverbraucher hingeht. Wenn das eben das neue Einkaufszentrum ist, und nicht mehr die Innenstadt, dann ist es seine Aufgabe, genau dorthin zu gehen. Er muss gleichzeitig den Mut haben, seine Fläche tendenziell zu vergrößern. Und er sollte auch unter Marketingaspekten sehr beweglich bleiben: Welche Trendprodukte darf ich nicht verpassen? Wie optimiere ich meine Warenpräsentation? Wie schaffe ich selbst jeden Monat immer wieder Themeninseln mit saisonalen oder anderen Bezügen, die den Konsumenten zum Verweilen animieren?
Herr Schneller, sehen Sie das aus Industrie-Sicht ähnlich?
Schneller: Als Markenartikler sorgen wir uns auf jeden Fall um die Gestaltung der Ladengeschäfte. Wir verstehen schon: Für viele Fachhändler ist der Service-Point-Charakter, wie ihn Lotto oder die Postagentur sicherstellen, wichtiger denn je. Aber man darf nicht alles machen wollen, sonst endet es, salopp gesprochen, im Durcheinander. Und das ist dann genau das Gegenteil von dem, was der Konsument wünscht. Er sucht, wie Klaus Danne zu Recht betont, das Einkaufserlebnis, die Idee, die Anregung. Dafür zahlt er gute Preise. Durcheinander bringt er eher mit „billig” in Verbindung – keine gute Idee, weder für den Großhändler noch für den Fachhändler noch für uns.
Muss sich dann nicht auch der Großhandel wandeln?
Danne: Selbstverständlich. Und der starke Ausleseprozess unter den Großhändlern in den letzten Jahren zeigt schon, dass der Wandel in vollem Gange ist. Früher war der Großhändler ein reiner Warenverteiler. Die Funktion ist sicher nach wie vor wichtig, denn es ist eine gewaltige Herausforderung, einem Kunden – wie bei uns – die Ware deutschlandweit über Nacht zuzustellen. Heute muss der Großhandel seine Fachhandelskunden allerdings auch dabei unterstützen, dass diese sich besser bei den Konsumenten profilieren können.
*Was heißt das konkret?
*Danne: Der Fachhändler braucht jemanden, der ehrlich ist, der ihm ganz klar sagt: „Krempel deinen Laden um. Die Möbel sind zu alt, dein Fokus liegt zu sehr auf der Bedienung. Leg mehr Wert auf saubere Präsentation.” Das ist nicht immer angenehm, aber für beide Seiten erfolgsversprechender, als sich immer gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. Der Großhandel ist künftig viel stärker als Sparringspartner gefragt. Und natürlich muss er dann auch bei der Umsetzung helfen, zum Beispiel mit eigenen Lösungen für die Ladengestaltung. Dafür haben wir in den vergangenen zwei, drei Jahren viel investiert. Dann kann auch der Fachhandel gegen den Lebensmitteleinzelhandel bestehen oder gegen die immer mächtiger werdenden Drogerieketten.
Schneller: Wir freuen uns, wenn sich der Großhandel in dieser Weise beherzt einmischt. Der Fachhandel verliert, wenn der Großhandel keinen beratenden Außendienst mehr anbieten kann, sei es in Hinblick auf Sortimente, Präsentationen oder Prozesse.
Aber den Konzentrationsprozess unter den Großhändlern müssten Sie bei Herma dann doch eher kritisch sehen?
Schneller: Im Gegenteil: Wir sind dringend angewiesen auf leistungsstarke Großhändler wie Kugelmann, die in der Lage sind, weiter in Logistik und die Prozessoptimierung zu investieren. Wir brauchen eine Vielfalt bei den Großhandels-Konzepten und jeweils exzellente Qualität in der Leistung. Dann kann sich ein Fachhändler nach seinen individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen seine Großhandelspartner suchen. Aber wir brauchen nicht mehr von dem Gleichen, erst recht nicht, wenn dann notwendige Investitionen ausbleiben.
Herr Danne, Ihr Unternehmen hat in letzter Zeit einige andere Großhändler übernommen. Wollen Sie auf diese Weise weiter wachsen?
Danne: Wenn sich sinnvolle Möglichkeiten ergeben, sollte man mutig und schnell zugreifen. Es kommt dabei allerdings nicht darauf an, schlicht andere Unternehmen zu übernehmen. Die Herausforderung lautet, die dort arbeitenden Menschen mitzunehmen. Denn deren vertrauensvolle, zum Teil sehr lange Beziehungen zu den Fachhändlern sind entscheidend für den künftigen Erfolg. Alle Menschen, die auf diese Weise zu uns gestoßen sind, sind an Bord geblieben. Das macht uns stark. 
*Wie sehen Sie die Zukunft der Paperworld in Frankfurt?
*Danne: Für uns selbst ist die Messe ein wichtiger Branchentreff, weil wir dort konzentriert und zeitsparend gemeinsam mit der Industrie Konzepte für den Fachhandel entwickeln können. Auf jegliche Form von Gigantismus können wir dabei gerne verzichten. Wir bedauern es jedoch außerordentlich, dass erneut einige große Marken in Frankfurt nicht vertreten sein werden.
Schneller: Die Paperworld ist im Moment auf einem guten Weg. Die Verkürzung der Messe hat ihr eindeutig gut getan. Auch die Entscheidung, den Start auf einen Samstag zu legen, hat für Belebung gesorgt, da gleich von Beginn an viele Fachhändler für volle Hallen sorgen. Die Idee, mit „Paperworld Insider” noch mehr Fachhändler anzusprechen, ist sinnvoll.
Hat der Großhandel nicht etwas dagegen, dass die Industrie dadurch verstärkt direkten Kontakt insbesondere zu kleineren Fachhändlern bekommt?
Danne: Im Gegenteil: Der Fachhändler soll auf der Messe die Leistungsstärke und Innovationskraft der Marke Herma erleben – und dann bei uns ordern. Wir empfinden es als Vorteil, wenn sich Fachhändler in Frankfurt bereits selbst intensiv über Neuheiten und Sortimente informieren. Das erleichtert unsere späteren Verkaufsgespräche ungemein und gibt unseren Hausmessen zusätzlichen Schub.
Schneller: Wichtig ist, dass es immer eine klare und sinnvolle Aufgabenteilung gibt zwischen Großhandel und Industrie. Und mehr als umfassende Informationen können wir diesen Fachhändlern schon rein logistisch auf einem Messestand gar nicht bieten. Alles andere wäre sowohl für den Fachhändler als auch für uns sehr unbefriedigend.
Herr Danne, wo wünschen Sie sich mehr Unterstützung von Seiten der Industrie?
Danne: Wir wünschen uns von den Herstellern, die Wichtigkeit ihrer eigenen Marke am POS etwas mehr zurückzunehmen und darauf zu achten, was unsere Kunden wirklich brauchen, etwa in Hinsicht auf Sortiment oder Präsentationsmodule. Es ist schlicht nicht möglich, dass jeder Hersteller auf 100 Quadratmeter sein eigenes Display platziert.
Schneller: Was den POS angeht, sehen wir das ähnlich. Wir können uns gerade für Fachhändler, die im Großhandel einkaufen, durchaus gemeinsame Displays mit anderen Herstellern vorstellen. Denn es gibt viele Produkte, die sich ergänzen, ohne Konkurrenz zu machen. Cross-Selling heißt das Stichwort; da steckt noch eine ganze Menge Potenzial drin. In Richtung Endverbraucher halte ich allerdings mehr Marke für durchaus sinnvoll. Die Idee, unsere Produkte mit den neuen Herma Officern zu emotionalisieren, kommt sehr gut an. Das betrifft sowohl die Module, die wir für unsere eigene Website produzieren, als auch die Tools, die wir Handelspartnern für den Einbau in deren Website zur Verfügung stellen.
Danne: Da bin ich sofort bei Ihnen, Herr Schneller, wenngleich auch Richtung Endverbraucher manche Aktivitäten nicht ganz durchdacht scheinen. Das sogenannte Lehrer-Marketing mancher Hersteller, also das kostenlose Bemustern mit Testprodukten, hat inzwischen einen Umfang angenommen, dessen Nutzen wir massiv in Frage stellen. Dieses Geld wäre wahrscheinlich besser angelegt für  gemeinsame Aktionen mit dem Fachhandel.
Schneller: Fairerweise muss man sagen, dass die Unternehmen oftmals noch nicht einmal aus eigener Initiative tätig werden. Auch wir werden überhäuft von Anfragen nach dem Motto „Armer Referendar bittet um Zusendung eines Klassensatzes”. Dahinter steckt nicht selten systematische Abzocke. Briefe unterschiedlicher Absender enthalten vielfach denselben Rechtschreibfehler. Wir stehen solchen Anfragen inzwischen sehr, sehr kritisch gegenüber.
*Bleiben wir mal beim Schulbedarf. Welchen Stellenwert hat dieses Segment noch für den Fachhändler angesichts sinkender Schülerzahlen?
*Danne: Dass die Schülerzahlen sinken, ist nicht so dramatisch. Entscheidend ist: Die Ausgaben pro Schüler steigen. Und der Schulanfang sorgt stets für erhöhte Frequenz am POS. Diese gilt es dann, mit entsprechenden Themen- oder Ideeninseln für den Abverkauf zu nutzen. Hier wünschen wir uns in der Industrie noch mehr Partner wie Herma, die dieses Segment regelmäßig neu beleben können.
Schneller: Es gibt eine einfache Regel: Etablierte Produktgruppen bringen langfristigen Erfolg, wenn man kontinuierlich Zusatznutzen schafft. Wir waren zum Beispiel die Ersten, die ansonsten eher unauffällige Heftschoner mit trendigen Designs aufgewertet haben. Das Resultat: Wir kamen kaum nach mit dem Nachliefern. In diese Richtung marschieren wir weiter. Auf der Paperworld zeigen wir zum Beispiel einen Buchschoner, wie es ihn noch nie gegeben hat.
Danne: Neben Schule genauso wichtig für uns ist jedoch die Sticker- und Etiketten-Kompetenz von Herma. Die Einführung der 10-Blatt-Packung für A4-Etiketten eröffnet gerade auch vielen unserer Fachhändler erstmals die Möglichkeit, von diesem lukrativen Marktsegment zu profitieren.
*Bei der letztjährigen Paperworld hatten die Herma Officer ihren ersten Einsatz und für großes Aufsehen gesorgt. Welche Wirkung haben Sie als Großhändler gespürt?
*Danne: Die „Herma Officer” sind ein wichtiger Baustein, um gerade auch jüngere Zielgruppen für die Marke und ihre Produkte zu interessieren. Viele PBS-Marken haben nämlich, mit Verlaub, über die Jahre etwas Staub angesetzt. Herma hat sich hier intelligent modernisiert, ohne die wertvolle Identität aufzugeben – das kommt gut an bei unseren Fachhändlern. Deshalb war ich auch sofort bereit, meinen Kopf hinzuhalten für den diesjährigen Herma Auftritt. Ich bin schon sehr gespannt, wie er aussieht.●
www.herma.de
www.georgkugelmann.de