HBS Branchentagung 2025 08.05.2025
Neue EU-Regeln zwingen Industrie und Handel zum Handeln
Bei der Branchentagung des HBS (Handelsverband Büro und Schreibkultur) am 7. Mai 2025 standen die EU-Entwaldungsverordnung und das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz im Fokus. Experten zeigten auf, welche Anforderungen künftig auf Händler und Hersteller zukommen – und welche Fristen jetzt entscheidend sind.

Am 7. Mai 2025 traf sich die Handelsbranche zur HBS-Tagung in der Aula der Fachschule des Möbelhandels in Köln, um sich über zentrale regulatorische Neuerungen auf europäischer Ebene zu informieren. Im Mittelpunkt standen die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) sowie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Beide Regelwerke bringen weitreichende Pflichten für Industrie und Handel mit sich.
EU-Entwaldungsverordnung: Neue Nachweispflichten für Händler
Referent Michael Frank vom Technologieunternehmen osapiens (Mannheim) stellte ein neues, KI-gestütztes Tool namens osapiens HUB vor, das Unternehmen bei der Einhaltung der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) unterstützt. Die Verordnung verpflichtet Hersteller, für bestimmte Produkte – etwa Rinderleder, Kautschuk, Holz, Papierwaren oder Sitzmöbel – nachzuweisen, dass sie entwaldungsfrei hergestellt wurden. Dazu gehören unter anderem die Geokoordinaten sämtlicher Anbauflächen sowie der Nachweis, dass die Produkte nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen.
Die EUDR trat bereits am 29. Juni 2023 in Kraft, doch die Anwendungspflichten wurden um ein Jahr verschoben: Für große Unternehmen und Händler gelten die neuen Sorgfaltspflichten ab dem 30. Dezember 2025, für kleine und Kleinstunternehmen ab dem 30. Juni 2026. Verpackungen sind nur betroffen, wenn sie Teil des eigentlichen Produkts sind.
Zentral ist die Unterscheidung zwischen „Marktteilnehmern“ (wie Herstellern und Importeuren) und „Händlern“. Erstere unterliegen umfassenden Sorgfaltspflichten – darunter Risikoanalysen, Geolokalisierung, Erzeugernachweise, Zolltarifnummern und die sogenannte „Referenznummer der DDS“ (Due Diligence Statement). Händler müssen diese Sorgfaltserklärungen samt Referenznummer dokumentieren und an ihre Kunden weitergeben. Je nach Unternehmensgröße und Rolle in der Lieferkette gelten dabei abgestufte Anforderungen.
Die neue Bundesregierung verfolgt das Ziel einer Null-Risiko-Strategie. Die Risikobewertung erfolgt in drei Stufen – niedrig, mittel und hoch – und nutzt auch satellitengestützte Daten zur Herkunftsregion. Ein digitales Kundenportal stellt die notwendigen Nachweisdaten zur Verfügung. Bei Verstößen drohen Sanktionen.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Was Händler jetzt wissen müssen
Markus Scheufele, Leiter Recht beim Bitkom e. V., erläuterte die Anforderungen des BFSG, das auf der UN-Behindertenrechtskonvention basiert und am 28. Juni 2025 in Kraft tritt. Es verpflichtet Unternehmen, ihre Produkte und digitalen Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie für Menschen mit Behinderung gleichberechtigt nutzbar sind.
Thomas Rüger, Projektreferent handel.digital beim Handelsverband Hessen, ergänzte praxisnahe Hinweise zu den konkreten Pflichten für Händler – insbesondere im digitalen Bereich. Kritisch wird es, wenn etwa über einen Link ein Kauf oder Vertragsabschluss ausgelöst wird – hier gelten erhöhte Anforderungen. Auch AGB, Cookie-Hinweise oder Newsletter können betroffen sein.
Ausgenommen von der Regelung sind Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten oder einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro – allerdings nur im Bereich der Dienstleistungen. Für bereits im Markt befindliche Produkte gelten Übergangsfristen bis 2030, bei Selbstbedienungsterminals – etwa im ÖPNV – sogar bis zu 15 Jahre.
Markt im Wandel: IFH Köln mit Zahlen zur aktuellen Lage
Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln, analysierte die aktuelle Marktentwicklung. Mehr als ein Drittel der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten konsumierten 2024 weniger als im Vorjahr. Preissensibilität, wirtschaftliche Unsicherheit und ein stark fokussierter Preis-Leistungs-Gedanke dominieren das Kaufverhalten. Die Bürowirtschaft zählt aktuell zu den am stärksten betroffenen Branchen: Trotz gestiegener Verbraucherpreise stagnieren die Umsätze.
Gleichzeitig zeigt sich eine Verschiebung der Vertriebskanäle. Der Onlinehandel bleibt auf hohem Niveau, auch wenn die großen Wachstumssprünge ausbleiben. Amazon bleibt der führende Anbieter, Plattformen aus Fernost gewinnen weiter an Marktanteil – vor allem bei preisgetriebenen Käufen.
Neu auf dem Radar vieler Händler: der TikTok Shop. Besonders bei der jungen Zielgruppe etabliert sich die Plattform als Impulsgeber für spontane Käufe. Social Commerce und Live-Shopping-Formate werden zu einem relevanten Baustein im digitalen Vertrieb.
Eine neue Studie zu vitalen Innenstädten zeigt zudem alarmierende Entwicklungen: Zwischen 2010 und 2022 gingen im Schnitt jährlich rund 3.100 stationäre Handelsbetriebe verloren – am stärksten betroffen: Schreibwaren mit einem Minus von über 62 Prozent – gefolgt von Bekleidung (59,6 Prozent), Foto (55,5 Prozent) und Schuhe/Lederwaren (53,6 Prozent). Auch Spielwarengeschäfte sind stark betroffen (–38,3 Prozent).
Ausblick: Branchendialog wird fortgesetzt
Michael Ruhnau, Präsident des HBS, kündigte für den Herbst dieses Jahres eine Anschlussveranstaltung an. Zudem sei ein praxisorientiertes Webinar in Planung, das Händler gezielt beim Thema Barrierefreiheit unterstützen soll.
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