Change Maker 50plus: Generationen verbinden – Fachkräftepotenzial heben

Der demografische Wandel verschärft den Fachkräftemangel. Die Initiative Change Maker 50plus zeigt, wie Unternehmen die Potenziale älterer Mitarbeitender besser nutzen können – mit praxisnahen Impulsen, Coffee Breaks und einer jährlichen Konferenz.

Am 16. Oktober 2025 findet die 4. Change-Maker-50plus-Konferenz statt. Auf dem Programm stehen Themen wie gesundheitsorientierte Führung, KI-gestützter Wissenstransfer und Graswurzel-Initiativen aus Unternehmen. Im Interview mit dem PBS Report erläutern Dr. Leonie Koch (Otto ) und Susanne Sabisch-Schellhas (KWB e. V./Demographie Netzwerk Hamburg), warum Altersvielfalt kein Randthema ist, sondern ein Schlüssel für Fachkräftesicherung, Innovation und nachhaltiges Personalmanagement.

Change Maker 50plus ist eine der erfolgreichsten Initiativen für Altersdiversität und lebensbegleitendes Personalmanagement. Hervorgegangen ist sie aus der Kooperation von zwei engagierten Enterprise-Netzwerkgründer:innen mit der Netzwerkstelle „Demographie Netzwerk Hamburg“ (ddn Hamburg). Sie zielt darauf ab, die Kompetenzen und Potenziale erfahrener Mitarbeitender sichtbar zu machen, generationenübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und Unternehmen Impulse für ein nachhaltiges Generationenmanagement zu geben. Erfolgsfaktoren sind die monatlichen Coffee Breaks 50plus und die jährlichen Online-Konferenzen „Change Maker 50plus – nachhaltig verändern!“, die dieses Jahr am 16. Oktober 2025 zum 4. Mal angeboten wird.

Über Ziele, Hintergründe und die Highlights des diesjährigen Programms haben wir mit zwei der Initiator:innen von #ChangeMaker50PLUS, Dr. Leonie Koch, Otto (GmbH & Co. KGaA), und Susanne Sabisch-Schellhas, Leiterin des Demographie Netzwerks Hamburg (ddn Hamburg) bei der KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. gesprochen. Gemeinsam mit Klaus-Peter Mikulla, Ex-Beiersdorf/Mikulla & Partner, entstand die Idee zur Initiative Ende 2020. Sie wurde bereits mehrfach mit renommierten Fach- und Jury-Preisen ausgezeichnet.

Dr. Leonie Koch - Change Maker 50plus
Dr. Leonie Koch - Change Maker 50plus

Entstehung der Initiative

Was hat die Initiator:innen dazu veranlasst, Change Maker 50plus ins Leben zu rufen?

Dr. Koch: Change Maker 50plus entstand aus dem gemeinsamen Ziel unserer drei bereits langjährig erfolgreichen Netzwerke, eine positive Wahrnehmung von Altersvielfalt in Unternehmen zu etablieren und die – in sich äußerst vielfältigen – Generationen 50plus zu stärken. Unsere Vision ist, regional wie überregional Unternehmen jeder Größe in ihrem Engagement für lebensphasenorientierte Personalstrategie und Generationenkooperation zu vernetzen. Dafür haben wir unsere Preis-Auszeichnungen erhalten.

Sabisch-Schellhas: Dieses Ziel konnte durch die Unterstützung des etablierten Demographie Netzwerks Hamburg (ddn Hamburg) umgesetzt werden, das von der KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. geleitet und von der Behörde für Wirtschaft, Arbeit und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert wird. Seit 2012 bringt ddn Hamburg Unternehmen, Organisationen und Entscheidungsträger:innen aus der Metropolregion zusammen, um gemeinsam Antworten auf die Herausforderungen des demografischen Wandels zu entwickeln sowie innovative Lösungen für den Fachkräftemangel zu bündeln und zu verbreiten. In sechs Foren vernetzt ddn Hamburg Unternehmen, stellt Best Practices vor und bringt Wissenschaft und Praxis zusammen. Die aktive Mitarbeit von Unternehmen ist die Kernidee, die sich im Forum Generationenmanagement, das von Leonie Koch und Klaus-Peter Mikulla moderiert wird, beispielhaft entwickelt.

Seit 2020 bietet ddn Hamburg mit dem Forum Generationenmanagement und mit der kompetenten Unterstützung der Mitarbeitenden-Initiativen „Netzwerk #experienced“ bei Otto und „Neue Generation 50plus“ bei Beiersdorf gemeinsame Veranstaltungen an. Die Vision war und ist, Unternehmen in den Austausch zu bringen, sie zur Gründung interner Generationennetzwerke durch Mitarbeitende anzuregen und bei der Etablierung von Generationenmanagement mit Ideen, Methoden und Use Cases zu unterstützen.

Dr. Koch: Kurzum: Die Initiative macht in dieser Dreier-Konstellation erfolgreich den Diskurs über die „stille“ Dimension Alter(n) in Beruf und Lebensphasen lauter – ein Triple-Win für Unternehmen, Mitarbeitende und Gesellschaft.

Gesellschaftliche Dringlichkeit

Der demografische Wandel und die wachsende Fachkräftelücke sind zentrale Herausforderungen. Warum ist es aus Ihrer Sicht so entscheidend, die Kompetenzen älterer Beschäftigter gezielt zu nutzen und in den Generationenmix einzubinden?

Dr. Koch: Der demografische Wandel ist eine lang bekannte Konstante, die aber für den Arbeitsmarkt genauso lange verdrängt wurde. Das ist der allseitig immer wieder gespiegelte Eindruck. Noch sind die Herausforderungen des Fachkräftemangels nicht gelöst: Die Einwanderungspolitik hat ihre Versprechungen nicht erfüllt; die absehbaren Personalbedarfe sind nicht gedeckt. Das erhöht derzeit schon und wird den Handlungsdruck weiter erhöhen. Politische Forderungen nach Länger- und Weiterarbeit sind teils mit Heraufsetzen des gesetzlichen Renteneintrittsalters umgesetzt, teils schweben sie noch im Raum (Stichwort: Rente mit 70) oder sind absehbar (steuerbefreites Zusatzeinkommen). Das zentrale Problem: Die Umsetzung in der Wirklichkeit der Arbeitswelt blieb und bleibt weiter in der Schwebe, wenn die Firmen kein proaktives Age-Diversity-Management mit ihren Mitarbeitenden etablieren. Denn nur so werden die Ideen zum wirksamen Erfolgsfaktor.

Susanne Sabisch-Schellhas - Change Maker 50plus
Susanne Sabisch-Schellhas - Change Maker 50plus

Sabisch-Schellhas: Wir Change Maker 50plus vernetzen deshalb aktiv Unternehmen im DACH-Raum zur dreifachen Engagement-Stärkung: Erstens, proaktive Altersvielfalt zu gestalten ist Führungsaufgabe. Zweitens, Generationen-Kooperation braucht alle Mitarbeitenden von jung bis alt. Drittens, Lebensphasenorientierung und die Gestaltung der Employee Journey verantworten in kleineren Firmen die Leitung oder Inhabenden, in größeren Unternehmen Leadership, Personalabteilung und Diversity-Management.

Ziele und gewünschte Veränderungen

Mit der Konferenz möchte Change Maker 50plus Impulse setzen und konkrete Veränderungen anstoßen. Welche Entwicklungen in Unternehmen und Organisationen möchten Sie in den nächsten Jahren erreichen?

Dr. Koch: Es geht einerseits kontinuierlich weiter mit der fortlaufenden Sensibilisierung für die Vorteile von Altersvielfalt und flexibler Lebensphasen-Strategien – etwa durch Dialogformate oder durch das Zeigen der Chancen von altersgemischten Tandems, Teams oder Projektgruppen. Hierzu zählen auch die vielen Graswurzel-Netzwerke von Mitarbeitenden, die wir in Gesprächen, mit Erfahrungsberichten aus unseren eigenen Netzwerk-Gründungen und durch die Unterstützung bei der Vernetzung mit anderen Gruppen bestärken.

Andererseits wollen wir künftig breiter und tiefer wirken. Wir möchten Sensibilisierung und Chancen der Altersvielfalt noch stärker in kleine und mittlere Unternehmen (KMU) tragen, die starten und strategisch darangehen wollen, ohne alles neu erfinden zu müssen. Mit der Konferenz geht es uns darum, praxisnahe Best Cases zu zeigen und Handreichungen für einfach umsetzbare Quick Wins zu geben. Dabei sprechen wir sowohl große Unternehmen als auch kleine und mittlere Betriebe an. Gerade KMU können schneller und agiler kleine Veränderungen vornehmen und daraus ihren spezifischen Nutzen ziehen.

Ein dritter Aspekt ist das Teilen kompakter Tipps zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren – gleichrangig mit der Stärkung einer Datenorientierung. Denn messbare soziale Nachhaltigkeit wird künftig immer wichtiger. Themen wie ESG, ESRS, CSRD oder Lieferkettengesetz sollten nicht abschrecken, sondern bieten gerade KMU große Chancen, sich als attraktive Arbeitgeber zu zeigen. Wichtig ist, die vielen kleinen und großen Datenpunkte zu Altersvielfalt sichtbar zu machen und weiterzuverfolgen. Daher lautet das Motto in diesem Jahr: „nachhaltig verändern!“.

Sabisch-Schellhas: Hier sind Vereinigungen wie Handels- oder Handwerkskammern, Unternehmens- und Wirtschaftsverbände, Sozialpartner, Behörden und Ministerien wichtige Ansprechpartner. Auch Projekte oder geförderte Einrichtungen wie die regionalen Zukunftszentren, INQA-Coaches oder die Demografielotsinnen und -lotsen sind zentrale Multiplikatoren.

Dr. Koch: Change Maker 50plus führt als Plattform für den Wissens- und Erfahrungsaustausch, die Vernetzung und das Teilen von Best Practices alle relevanten Akteure zusammen. Wir plädieren nicht für überkomplexe Systeme. Gerade für KMU sind robuste No-Cost- oder Low-Cost-Lösungen ein wichtiger und verlässlicher erster Schritt. Das Motto unserer ersten Konferenz 2022 lautete deshalb: „einfach machen!“.

Programm 2025 im Überblick

Die Tagung beleuchtet neue Altersbilder, Age Diversity und Generationenmanagement. Welche Kernbotschaften und thematischen Schwerpunkte prägen das diesjährige Programm?

Dr. Koch: Wir haben mit unserem Beirat ein intensives und vielfältiges Programm kuratiert, das für alle an Altersvielfalt Interessierten offen ist. Besonders richten wir uns an Firmeninhaberinnen, Personal- und Diversity-Managerinnen sowie Mitarbeitenden-Netzwerke, die Altersvielfalt strategisch und lebensphasenorientiert mit nachhaltigen Unternehmenszielen verbinden wollen.

Sabisch-Schellhas: Wir starten wie in den vergangenen Jahren mit einem gesellschaftlich-kulturellen Großthema: „Was ist Glück, 50plus?“. Die Keynote und Podiumsdiskussion moderiert unsere Beirätin Nicole Schmutte vom NDR. Eingeladen sind Neurowissenschaftlerinnen und Bestsellerautor:innen wie Dr. Karolien Notebaert, Barbara Studer, Frank Leyhausen und Ildikó von Kürthy.

Dr. Koch: Am Nachmittag moderiere ich eine Keynote zu einem kontroversen Thema: „Brauchen wir Diversity oder kann das weg?“. Vielfaltsthemen stehen derzeit unter starker Kritik konservativer Kreise. Auf dem Podium diskutieren Andrea Becker (Otto), Christian Mappala, Susanne Lücke und Dr. Bernd Scharbert.

Im Anschluss an die beiden Podien geht es in insgesamt 14 Themenräumen z. B. um diskriminierungsfreie Rekrutierung mit KI (Adacor), digitale Wissenssicherung (Bosch Rexroth), Methoden der Wissensweitergabe (TÜV Süd sowie Bundesbank), Erkenntnisse aus Altersstrukturanalysen (Sparkasse Zollernalb), Rekrutierung 50+ und 60+ (Deutsche Bahn), Weiterbeschäftigung im Ruhestand (HDI) sowie inklusive Kommunikation (WDR).

Beispiel EncourAGE

Sandra Schwimberski und Melanie Bente, Aral/bp, stellen die Entwicklung einer Graswurzel-Bewegung zu einer globalen Initiative vor. Was macht dieses Projekt so besonders – und welche Lehren können Unternehmen daraus ziehen?

Dr. Koch: Graswurzel-Netzwerke liegen uns besonders am Herzen. Immer wieder entstehen selbstorganisierte Gruppen zu Themen wie „ältere Mitarbeitende“ oder „lebenslanges Lernen“. Sie können zu wichtigen Sparringspartnern für Personal- und Diversity-Management werden. Die beiden Initiatorinnen bei Aral/bp zeigen idealtypisch, wie sich aus einem kleinen Anlass und persönlichen Interessen eine Bewegung entwickeln und global ausweiten kann. Sie geben Einblick in die Gründungsphase solcher Netzwerke auf dem Weg hin zu einem anerkannten und unterstützten Mitarbeitenden-Netzwerk – und sprechen offen über Stolpersteine und Erfahrungen.

Beispiel gesund führen

Klaus Pelster von der Siemens AG spricht über gesundheitsorientierte Führung. Wie kann eine solche Führungskultur allen Generationen im Unternehmen zugutekommen?

Dr. Koch: Eine typische Frage lautet: Brauchen verschiedene Altersgruppen unterschiedliche Angebote im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM)? Die Antwort ist nein. Entscheidend ist vielmehr, wie das BGM Führungskräfte unterstützt und befähigt – unabhängig vom Alter. Führungskräfte sind die Schaltstelle, wenn es um Gesundheitskompetenz und Verhalten im Alltag geht. Das zeigt das Beispiel Siemens eindrücklich. Es macht auch deutlich, welche Wirkung ein gesundheitsorientierter Führungsansatz im Rahmen der Unternehmensstrategie und der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) entfalten kann.

Beispiel KI und Wissenstransfer

Gabriele Riedmann de Trinidad zeigt, wie sich Firmenwissen mithilfe von KI in Sekunden in E-Learnings umwandeln lässt. Welche Chancen und Grenzen sehen Sie für einen altersübergreifenden Wissenstransfer?

Dr. Koch: Der Erhalt und die Weitergabe von Erfahrungswissen ist eines der drängendsten Themen im demografischen Wandel. Viele Unternehmen berichten uns, dass geschäftsrelevante Expertise in keinem Firmen-Wiki dokumentiert ist. Neben altersgemischten Teams und Generationen-Tandems ist das erzählende Working out Loud eine vielversprechende Methode. Mit Hilfe generativer KI lässt sich dieses Storytelling in Microlearnings übersetzen. Der Themenraum von Gabriele Riedmann de Trinidad (platform3L GmbH) und Helga Fabritius (MYPEGASUS Akademie GmbH) zeigt praxisnah, wie sich so generationenübergreifende und international nutzbare Lernbausteine entwickeln lassen.

Beteiligung und Vernetzung

Wie können sich Interessierte aktiv an Change Maker 50plus beteiligen und über die Veranstaltung hinaus im Netzwerk mitwirken?

Dr. Koch: Wir freuen uns, wenn Teilnehmende Impulse mitnehmen, erste Schritte gehen, Ideen weiterentwickeln und den Kontakt mit uns, den Referent:innen und Speakern suchen – vor, während oder nach der Konferenz.

Sabisch-Schellhas: Wir wünschen uns neue Kontakte zu Unternehmen, die Lust auf Altersvielfalt haben – sei es für ein Gespräch, die Vorstellung eigener Maßnahmen oder für den Austausch in kleiner Runde, etwa bei einer Coffee Break 50plus.

Dr. Koch: Change Maker 50plus ist nicht nur eine Konferenz. Wir wollen eine Bewegung für gemeinsame Interessen, generationenübergreifendes Wachstum und Innovation. Jede und jeder Engagierte ist willkommen.

Sabisch-Schellhas: Kostenfreie Veranstaltungen und die Anmeldung zu den Coffee Breaks 50plus und zur Konferenz finden Interessierte auf der Website des Demographie Netzwerks Hamburg: ddn-hamburg.de.

Über das Demographie Netzwerk Hamburg

Sabisch-Schellhas: Das Demographie Netzwerk Hamburg wird von der KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. geleitet. Mit rund 1500 aktiven Mitgliedern und bis zu 30 Veranstaltungen jährlich bietet es Raum für Austausch, Inspiration und konkrete Lösungen – von Fachkräftesicherung über altersgerechte Arbeitsgestaltung bis hin zu Diversity und Digitalisierung.

Als Teil des bundesweiten Netzwerks Das Demographie Netzwerk e. V. verfolgt ddn Hamburg einen „Collective Impact“-Ansatz: Wirtschaft, Politik und Wissenschaft arbeiten gemeinsam daran, die Arbeitswelt zukunftsfähig zu gestalten.

Frau Koch und Frau Sabisch-Schellhas, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.

Link zur Registrierung der Zoom-Konferenz

am Donnerstag, 16. Oktober 2025, 10 bis 17 Uhr - Teilnahme kostenlos, Teilnehmerzahl begrenzt