23.10.2020

Interview mit Andreas Reiter und Stefan Klingberg, Häfft Verlag

Andreas Reiter und Stefan Klingberg haben 1990 erstmals „neuartige“ Hausaufgabenhefte auf den Markt gebracht und damit den Grundstein für den Häfft Verlag gelegt.
Andreas Reiter und Stefan Klingberg haben 1990 erstmals „neuartige“ Hausaufgabenhefte auf den Markt gebracht und damit den Grundstein für den Häfft Verlag gelegt.

Eine Idee erobert die PBS-Welt

Seit 30 Jahren beschäftigen sich Andreas Reiter und Stefan Klingberg damit, das Schülerleben einfacher und die Erwachsenenwelt planbarer zu machen. Wir befragten die beiden Häfft-Geschäftsführer zu den Unwägbarkeiten der Branche, ihrem Erfolgsrezept und weiteren Zielen.

Welche Idee stand hinter der Gründung des Häfft Verlages vor 30 Jahren oder wie hat eigentlich alles angefangen?
Klingberg: 1990 war ein ganz besonderes Jahr in der deutschen Geschichte und gleichzeitig auch die Geburtsstunde des Häfft-Verlags. Die Mauer war gefallen, und es gab diese wahnsinnig intensive Stimmung des „Nichts-bleibt-wie-es-ist“ und „Alles-ist-möglich“. An unserem Gymnasium gab es nur lieblos gemachte Hausaufgabenhefte irgendeines Verlages als Sammelbestellung. Da kamen wir als 14-jährige Schülerzeitungs- Macher auf die Idee, ob wir nicht lustigere und bessere Hausaufgabenhefte für unsere Mitschüler machen könnten. Andy war damals schon ein Computer-Genie und hat dann kurzerhand auf einem Commodore 128 einen Grafik-Entwurf gebastelt. Mit geradezu steinzeitlichen Methoden haben wir dann die Ausgabe gestaltet und drucken lassen. Als wir am ersten Schultag unseren Mitschülern die neuen Hausaufgaben-Häffte mit Zeichnungen und Lehrersprüchen, Spielen und viel Funktionalität ausgeteilt haben, waren alle sofort begeistert!

Und dann haben euch die Händler die „neuartigen“ Hausaufgabenhefte aus den Händen gerissen?
Reiter: So schnell ging das nicht. Wir haben drei Jahre lang nur unsere Schule bedient, aber als Schülersprecher hatten wir den Austausch mit den Nachbarschulen, die schon richtig neidisch waren. Damals war „Jugendzeitung machen“ ungefähr so beliebt, wie heute „Influencer sein“. Wir haben dann das Münchner Jugendmagazin „Mephisto“ gegründet und zur Finanzierung beschlossen, Sammelbestellungen an den Schulen im Münchner Süden zu organisieren. Parallel dazu, hat Stefan angefangen, das Häfft an die Schreibwaren und Buchhändler in München zu liefern. Da ging es dann im Handel schon richtig durch die Decke. Im zweiten Jahr hat alleine die Hugendubel-Filiale am Marienplatz schon 500 Exmplare verkauft.

Stimmt es eigentlich, dass du am Anfang die frisch gedruckten Aufgabenhefte selbst im Freistaat verteilt hast?
Klingberg: Das ist korrekt! Es gab damals noch keine erschwinglichen Paketdienste wie heute. Inzwischen hatten wir Kontakte zu den Schulen in ganz Bayern. Da Andy keinen Führerschein hatte, habe ich zunächst mit dem VW-Bus meines Vaters, später mit einem Leih-Transporter die Auslieferung in ganz Bayern durchgeführt: von München nach Ingolstadt zur Druckerei und dann zwei Wochen durch ganz Bayern. Und bei den Schulen dann die schweren Pakete hoch ins Sekretariat gewuchtet. Und ab zum nächsten Lieferort, Übernachtungen teilweise auf der Pritsche in der Pampas – Bayern ist ein ausgedehnter Flächenstaat.

Ab wann habt ihr darüber nachgedacht, aus dem Hobby eine „Berufung“ zu machen und wie entstand die Idee mit dem „Brot & Schwein“?
Reiter: „Brot & Schwein“ waren die „Babies“ unseres Zeichners Werner „Weeh“ Härtl. Dieser erfand irgendwann die beiden Comic-Figuren und traf damit damit den Nerv der Häfft-Fans – sympathische Begleiter für den Schulalltag. Die Entwicklung zu einer richtigen Firma hat sich schleichend während des Studiums entwickelt. Inzwischen war „Mephisto“ eingestellt worden, aber die Nachfrage nach Häfften stieg jedes Jahr. Wir haben dann unser heutiges Büro im Münchner Univiertel bezogen, weil wir keine Lust mehr auf Homeoffice hatten (lacht).

Klingberg: Aber es war schwierig, sich auf die Vorlesungen zu konzentrieren, wenn man parallel so viel für die bessere Vermarktung unseres Nebenprojektes zu tun hatte. Am Ende wurden wir beide exmatrikuliert, weil wir am Schluss Vollzeit für Häfft gearbeitet und auch immer mehr Mitarbeiter hatten.

Der „Häfft Verlag“ war damals schon das, was wir heute als „Startup“ bezeichnen würden? Um 1999 herum hattet Ihr bereits Kult-Charakter – doch dann kam mit der „New Economy“-Krise der Absturz?
Klingberg: Der Absturz der New-Economy verbunden mit vielen Anfängerfehlern unsererseits war die gefährlichste Krise für Häfft. Wir hatten zu schnell zu viel gewollt, zu viel investiert. Wir mussten dann schweren Herzens einigen Mitarbeitern kündigen, Kredite beantragen und neue Produkte lancieren. Am Ende hat uns der Erfolg des „Vokabel- Häfft Englisch“ als Ganzjahres-Produkt das Überleben gesichert.

Trotzdem hat euch die PBS-Branche viele Steine in den Weg gelegt. War es am Ende eure Überzeugungsarbeit, die euren Erfolg gesichert hat, oder musstet Ihr einfach nur abwarten, bis alle eure Kritiker verschwunden waren?
Klingberg: Zunächst mal ist mit Herlitz der damals dominierende Player in die Knie gegangen. Das hat im Handel ein Umdenken ausgelöst. Auf einmal war die Tür offen für neue Anbieter. Und das Häfft kam den Händlern wie gerufen, denn wir haben damit dem jährlichen Schulanfang neuen Schwung verliehen. Auf einmal waren PBS-Artikel aufregender, es kam erheblich Bewegung in die Sortimente. Aber es hat schon sehr lange gedauert, bis uns die etablierten Händler als ernst zu nehmenden Anbieter betrachtet haben. Zum Glück waren wir damals noch sehr stark mit Schulen verbunden, so dass wir noch ein anderes Standbein hatten.

Mit Krisen und Herausforderungen kennt Ihr euch aus: Nach der „New Economy“ folgte knapp zehn Jahre später die Finanzkrise, dann zogen mit der Digitalisierung die nächsten schwarzen Wolken am PBS-Himmel auf. Nun kam aber alles ganz anders und ein Virus hält die Menschheit und die Wirtschaft in der Zange. Wie habt Ihr darauf reagiert?
Reiter: Wir sind krisenerprobt und flexibel, insofern hat uns Corona bisher nicht so schlimm getroffen wie andere Unternehmen. Unsere IT war schon lange dezentral organisiert, der erste Lockdown hatte für unsere Produktivität wenig Auswirkungen. Wir beliefern inzwischen recht viele Kanäle und haben unterschiedliche Zielgruppen von Schulkindern über Mütter bis hin zu Geschäftsleuten. Natürlich ist die aktuelle Pandemie ein herber Einschnitt, aber es betrifft ja alle. Als Optimisten sehen wir natürlich vor allem die Herausforderungen sowie die Chancen. Und wir haben für unsere Fachhändler ein umfangreiches Corona-Hilfspaket geschnürt mit längeren Zahlungszielen und durch Übernahme des Warenrisikos bei Kalender- Artikeln. Da konnten wir uns im Jubiläumsjahr von unserer besten Seite präsentieren.

So kennt die Branche den Häfft-Verlag - doch neben einem Schulsortiment, bietet der Verlag inzwischen auch Planer und andere Papeterieprodukte für unterschiedliche Zielgruppen an.
So kennt die Branche den Häfft-Verlag - doch neben einem Schulsortiment, bietet der Verlag inzwischen auch Planer und andere Papeterieprodukte für unterschiedliche Zielgruppen an.

Wagen wir zum Schluss den Blick nach vorne, auch wenn das heute recht schwierig erscheint. Welche Ziele habt ihr euch für die nächsten zehn Jahre gesteckt und wie werden Hausaufgabenhäffte dann aussehen?
Klingberg: Das Schreiben auf Papier wird im Schul- und Privat-Umfeld immer eine gewisse Rolle spielen. Natürlich nehmen digitale Medien zu, aber für unterhaltsam- funktionale Kalender, Planer und Notizbücher wird es immer einen Markt geben. Denn in einer Smartphone-süchtigen Gesellschaft bietet Häfft den Gegenentwurf zu Konzentration auf das Wesentliche.

Vielen Danke für die „häfftigen“ Antworten.