15.04.2016
Ergonomisches Luftkissen sorgt für Umsatzpolster
Köhl in Rödermark entwickelt, fertigt und vermarktet ergonomisch hochwertige Sitzmöbel – und das seit 40 Jahren. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Thomas Köhl über den Erfolgsschlager Köhl Air-Seat und künftige Chancen.
Wie ist es heute noch möglich, am Produktionsstandort Deutschland jährlich über 70 000 Stühle zu fertigen?
Köhl: Wir zählen zu den Mitbegründern des Baukastensystems in der Büromöbelbranche. Die Fertigung basiert auf dem Kanban-Verfahren – viele Teile werden bereits vorgefertigt angeliefert. Jeder Schritt in der Produktion wird von uns in der Entwicklungsphase eines Stuhles durchdacht und optimiert. Wir stecken tief in der Materie drin, weil wir über einen hohen Spezialisierungsgrad beim Thema „Sitzen“ verfügen. Darüber hinaus beschäftigen wir ausgebildete Fachkräfte, die eine hohe Flexibilität besitzen. All diese Punkte und die enge und langjährige Zusammenarbeit mit spezialisierten Zuliefer-Firmen aus der hessischen Region und dem gesamten Bundesgebiet, ermöglichen uns heute eine projektbezogene Sitzmöbelproduktion am Standort Rödermark.
Wir haben im vergangenen Jahr rund eine halbe Million Euro in die Entwicklung neuer Sitzkonzepte und Stühle investiert. Dabei greift unsere Entwicklungsabteilung ebenso auf das Know-how externer Ingenieure, Designer sowie Gesundheitsexperten zurück. Zu den Investitionen gehört aber ebenso die Weiterbildung unserer Mitarbeiter.
Im vergangenen Jahr konnten Sie um zehn Prozent auf 16 Millionen Euro zulegen. Wie erklären Sie diesen Wachstum?
Köhl: Neben diversen Vertriebs- und Marketingaktivitäten sorgte vor allem die Produktneuentwicklung des Köhl Air-Seat maßgeblich für die Umsatzsteigerung. Dieser ist mit einem direkt im Sitzpolster integrierten Zwei-Kammer-Luftkissen für bewegtes Sitzen ausgestattet und wurde nach zweijähriger Entwicklungsarbeit erstmals im Oktober 2014 auf der Orgatec in Köln vorgestellt. Das Besondere dabei ist, dass er als Ausstattungsmerkmal bei verschiedenen Stuhl-Serien zum Einsatz kommen kann. Für einen weiteren Umsatzschub hat auch die neue Serie Anteo Alu gesorgt, die im vergangenen Jahr im Markt eingeführt wurde. Wir hatten dadurch deutlich mehr Aufträge als im vergleichbaren Zeitraum davor. Der Trend geht erkennbar zum höherwertigen Stuhl. Die Unternehmen können damit ihren Beschäftigten – nicht nur aus gesundheitlichen Aspekten – einen Mehrwert am Arbeitsplatz bieten. Ganz aktuell freuen wir uns über die Auszeichnung mit dem Red Dot Award: Product Design 2016. Mit Anteo Alu, unsere Drehstuhl- und Konferenzserie, haben wir damit erstmals diesen begehrten internationalen Preis gewonnen.
Dieses Jahr steht die Orgatec wieder auf der Agenda. Welche Schwerpunkte haben Sie für die Messe im Oktober geplant?
Köhl: Lassen Sie sich einmal mehr von uns überraschen. Sie wissen, wir sind innovativ und arbeiten gerade an einer Neuentwicklung, die ich an dieser Stelle natürlich noch nicht verraten möchte. Der Köhl Air-Seat wird allerdings zur Orgatec auf weiteren Stuhlserien verfügbar sein.
Weil Informationen im Vorfeld der Orgatec für unsere Partner eine wichtige Rolle spielen, veranstalten wir zahlreiche Schulungen und Präsentationen vor Ort und in Rödermark. Wir bilden hier unsere Fachhandelspartner zu Ergonomie-Coaches aus, die dann in der Lage sind, Sitzgewohnheiten am Arbeitsplatz ihrer Kunden zu analysieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Ebenso ging gerade eine große Roadshow an den Start. Dazu haben wir unsere Partner aus dem In- und Ausland eingeladen, unser erweitertes Produktangebot kennenzulernen. Auch hier wollen wir Wissen vermitteln, damit dieses in eine qualifizierte Beratung einfließen kann. Die Roadshow sehe ich als wichtige Ergänzung zu unserem Messeauftritt in Köln.
Warum hat sich Ihrer Meinung das Sitzpolster mit dem integrierten Zwei-Kammer-Luftkissen zum Erfolgsschlager entwickelt?
Köhl: Ausschlaggebend ist wohl, dass der Köhl Air-Seat zu einem spürbaren anhaltenden Wohlbefinden führt. Er wackelt nicht, sondern lockert die Muskulatur und stärkt dabei die Muskulatur auf sanfte und gesunde Weise. Der Nutzer spürt das bereits nach kurzer Zeit. Auch die Ergonomie-Experten vom IGR (Interessengemeinschaft der Rückenschullehrer/Innen e.V.) haben das bestätigt. Erstaunt hat mich bei diesem Produkt vor allem, dass die Stühle mit einer Köhl Air-Seat-Ausstattung bei einer Bemusterung nicht mehr zurückgegeben werden. Die Kunden sind so sehr von der positiven Wirkung überzeugt, dass sie den Stuhl gleich behalten wollen. Das hatten wir vorher so auch noch nie erlebt. Natürlich freuen wir uns danach über Anschlussaufträge. Mit dem Köhl Air-Seat befinden wir uns erst am Anfang der Erfolgsgeschichte, weil das Gesundheitsbewusstsein der Menschen durch den demografischen Wandel in den nächsten Jahren noch weiter steigen wird.
Wir sehen beim Köhl Air-Seat noch viel Potential, weil zusätzlich die Möglichkeit besteht, vorhandene Bürostühle aus unserem Sortiment damit auszustatten. Der Vorteil liegt auf der Hand, weil so kostengünstig bei neuen Mitarbeitern, ohne großen Aufwand das Sitzpolster gegen ein neues, hygienisch sauberes ausgetauscht werden kann. Darüber hinaus passt sich ein Bürostuhl mit einem Köhl Air-Seat bei wechselnden Arbeitsplätzen den unterschiedlichen Nutzern an.
Bereits 2015, im ersten Jahr der Markteinführung, wurden mehr als 5000 Stühle mit dem Köhl Air-Seat ausgestattet. Das lag weit über unseren Planzahlen. Im laufenden Geschäftsjahr rechnen wir mit weit über 10 000 Auftragseingängen.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung in der Büromöbelbranche und welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach die Digitale Transformation?
Köhl: Die Branche wird sich durch die veränderten Marktanforderungen mit Sicherheit weiter entwickeln. Eine Anpassung ist wichtig und die Digitale Transformation fließt bereits heute in den Alltag und in die Produktion ein. Als Beispiel möchte ich hier nur unsere logistischen Prozesse anführen, die dadurch noch weiter optimiert wurden, so dass nicht nur unsere Vertriebspartner, sondern auch deren Kunden davon profitieren.
Letztendlich dreht sich aber alles um das Thema Qualität, die Beratung, den Service und natürlich das Produkt. Egal welcher Weg von den Unternehmen beschritten wird, ob analog oder digital – die persönliche Kommunikation bleibt auch in Zukunft ein entscheidender Faktor in unserem Geschäft. Auch die Qualitätsprozesse werden nach wie vor durch die Menschen bestimmt. Deshalb müssen bei uns alle neuen Vertriebsmitarbeiter zuerst ein Training in der Produktion absolvieren, bevor sie unsere Fachhandelspartner betreuen dürfen. Diese Kommunikation ist bei uns keine Einbahnstraße, sondern hilft uns sogar noch, uns weiter zu entwickeln. Wir greifen Anregungen aus dem Handel und der Nutzer auf und lassen diese in unsere Produkte einfließen.
Herr Köhl, vielen Dank.