Der stationäre Einzelhandel muss sich derzeit vielen Herausforderungen stellen: Multi Channeling, Mobile Commerce, neue Technologien und veränderte Verbraucherbedürfnisse stürmen auf die Unternehmen ein. Auch Annette Pickert, geschäftsführende Gesellschafterin der Firma Staehlin in Kempten, ist sich schon lange im Klaren darüber, dass gerade deshalb ständige Veränderungen und innovative Ideen gefragt sind. Und so fasste sie bereits im Jahr 2011 gemeinsam mit ihrer Familie den Entschluss, das Handelsunternehmen umzubauen und zu erweitern. Neben der bestehenden Bürowelt mit einem Fachmarkt für Bürobedarf und Bürotechnik sollte für die Firma Staehlin mit den Bereichen Bürowelt, Einrichtungskultur und Papeterie ein zweites Firmengebäude geschaffen werden, das die Philosophie und Arbeitsweise des Unternehmens widerspiegelt. Ziel war es, einen modernen, großzügigen Einzelhandelsstandort zu schaffen, der vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Zum einen sollte eine interessante Papeterie entstehen, in der Schreibkultur, Lederaccessoires, Geschenke, Schulausstattung und Künstlerbedarf in ansprechender Atmosphäre präsentiert werden können. Zum anderen sollte eine Plattform für den Bereich Einrichtungskultur entwickelt werden, in der moderne Büro- und Arbeitswelten in Funktion gezeigt werden und Designklassiker für Zuhause in einem Standort in der Fußgängerzone zur Geltung kommen.

Mit dem Architekturbüro Hagspiel in Verbindung mit dem „atelier 522“ für das innenarchitektonische Konzept fand man schließlich die richtigen Partner, um die Synergie aus historischem Charme und klarer Zurückhaltung umzusetzen. Seit 160 Jahren bietet Staehlin in Kempten Vielfältigkeit, Individualität und Persönlichkeit. Diese Zeit ist auch in der neuen Architektur zu sehen: Jahrhundertealte Balken und Ziegelmauerwerk werden geschickt verbunden mit modernen Stahl-Glas-Elementen. Der Neubau an der Brandstatt passt sich gut in das reichsstädtische Bild ein. „Wir haben uns gezielt für Büros entschieden, die sich mit Kombinationen aus Alt- und Neubauweise auskennen“, meint Pickert dazu und führt weiter aus: „Wir wollten durch die Herausnahme von Zwischendecken bewusst in Freiräume investieren und eine neue, anregende Atmosphäre schaffen, jedoch Elemente aus dem alten Haus übernehmen, sodass sich der Kunde auch im neuen Staehlin wiederfindet.“ Das „atelier 522“ stellte sich der Herausforderung und verlieh den alten Räumlichkeiten den passenden Rahmen – für Fläche und Warensortiment. In der Umsetzung hieß das, eine zurückhaltende Architektur zu schaffen mit authentischen Materialien, sowie einer dezenten Möblierung und einer schlichten, im Hintergrund haltenden Farbgebung, die unaufdringlich nur das wirken lässt, was Raum und Produkte kommunizieren. Geschaffen wurde ein veredelter Rohbau, indem der Bestand fein aus- und aufgearbeitet wurde. So wurde zum Beispiel die raue Holzbalkendecke durch einen geschliffenen Terrazzo ergänzt. Alte Steine und Holzböden wurden im Umbau aus dem Bestand entfernt. Sie dienen im heutigen architektonischen Konzept als Regalbögen und als Fußboden auf ausgewählten Flächen. Die Ladenbauelemente, bestehend aus heimischer Eiche, rohem MDF und naturbelassenem Stahl, wurden so entworfen, dass ein stimmiges und zurückhaltendes Bild entstand. Nur an Punkten wie der Kasse setzte man mit innenarchitektonischen Maßnahmen ein Statement.

Dass solch ein komplexes Vorhaben nur in partnerschaftlichem Miteinander und mit unterstützenden Kräften möglich ist, versteht sich von selbst. „Eine große Herausforderung für alle sei diese Baumaßnahme gewesen“, sagt die Staehlin-Chefin dazu. Unterstützend wirkte sich auch das zukunftsfähige Einzelhandelskonzept der Stadt Kempten aus, das ein klar definiertes Gebiet für Einzelhandel in der Stadt Kempten ausweist und so für Investitionen des Handels in der Innenstadt eine verlässliche Grundlage bildet. Dieses Modell sei die wesentliche Basis für die wirtschaftliche Perspektive der Umbaumaßnahme gewesen, so Annette Pickert. Neben der Aner-kennung an Architekten und Ladenbauern sowie den Bauhandwerkern, die von Januar bis Oktober 2015 unter Hochdruck arbeiteten, ist die Familie Pickert vor allem ihren Mitarbeitern dankbar für deren Geduld und großes Engagement. Für die Umbauphase war der Umzug in mehrere kleinere Ausweichquartiere nötig, denn der Umbau vollzog sich während des laufenden Geschäfts. Als wichtiger Partner erwies sich auch die Soennecken, die bei der Umsetzung der Ziele mit konkreter Beratung in puncto Finanz- und Sortimentsfeinplanung unterstützte. „Wir haben viele hochwertige, kleinteilige Produkte, die platziert werden wollen. Seit Abschluss der Umbauarbeiten im Oktober 2015 erstrahlt das neue Fachgeschäft in neuem Outfit. Auf circa 1200 Quadratmetern barrierefreier Fläche präsentiert der neue Staehlin eine außergewöhnliche Sortimentsvielfalt, die seinesgleichen sucht. Das Mitarbeiterteam hat mit der Entwicklung und Umsetzung vieler Ideen einen hohen Anteil am Gelingen dieser intensiven Arbeit. Der Erfolg hat nicht lange auf sich warten lassen. „Die Kunden sind begeistert“, berichtet Annette Pickert. „Sie bringen sogar Gäste von auswärts mit, um ihnen zu zeigen, dass es so einen Laden in Kempten gibt. Wir sind Treffpunkt und Marktplatz, das waren wir früher schon einmal – jetzt sind wir es wieder“, so Pickert. „Wir sehen uns als Problemlöser“, sagt Annette Pickert. Dabei legt sie Wert auf ein attraktives Angebot für jeden Geldbeutel: „Wir sind immer neu und aktuell.“ Annette Pickert führt das Traditionshaus und freut sich über den Einstieg der inzwischen sechsten Familien-Generation. Ihre beiden Söhne Christian (29) und Michael (27) haben strategisches Management studiert, beim Neubau kräftig mitangepackt und verantworten den Bereich Einrichtungskultur.