Kommunizieren Sie schon oder reden Sie noch?

Wir reden. Wir schreiben. Wir gestikulieren. Wir verständigen uns über Blicke und über unsere Mimik. All das ist Kommunikation. Wir können nicht ‚nicht‘ kommunizieren, sagte Paul Watzlawick (Kommunikationswissenschaftler). Alles was wir tun, ist Kommunikation. Ob wir wollen oder nicht.

Kommunikation ist Senden, Kommunikation ist Empfangen – genau das ist das Dilemma von Kommunikation. Oftmals „hauen“ wir einen Satz, eine E-Mail oder einen Beitrag heraus und gehen davon aus, dass alle anderen das genauso verstehen, wie wir es meinen.

Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie es schon erlebt, dass der Adressat einer Nachricht oder Ihr Gegenüber im Gespräch nicht so reagiert hat, wie Sie es sich gewünscht haben? Das kann viele verschiedene Gründe haben. Zum Beispiel, weil Sie Fremdwörter verwenden, die die Person nicht kennt und nicht nachfragt, was sie bedeuten. Es kann auch sein, dass Sie zu viel um den heißen Brei herumreden und der Zuhörende nach dem dritten eingeschobenen Satz vergessen hat, was Sie im ersten Teil gesagt haben.

Ein anderer Grund können Füllwörter und Konjunktive sein. Diese meist unscheinbaren Wörter schleichen sich in unsere Kommunikation ein und sorgen dafür, dass unsere Botschaft nebulös statt glasklar transportiert wird. Mit ihrer Hilfe weichen wir unsere Kompetenz auf und sorgen dafür, dass die Empfänger unsere Botschaft völlig anders wahrnehmen, als wir das geplant haben.

Eigentlich und quasi sind solche Füllwörter, die nichts für unsere Kompetenz tun. Indem wir sie in unsere Aussagen einschieben wie zum Beispiel: „Eigentlich ist das eine runde Sache“, ist die Sache alles andere als rund. Wenn wir sagen, dass wir „eigentlich das Produkt gut finden“, finden wir es nicht gut. Wir haben Vorbehalte, sind unsicher und vermeiden es, uns festzulegen. Und wenn etwas „quasi unsichtbar“ ist, ist es sichtbar.

Dann gibt es noch zwei Worte, die eigentlich als Verstärker wirken sollen, in Wirklichkeit aber Kommunikationsschwächer sind: tatsächlich und wirklich. Indem wir tatsächlich oder wirklich in einen Satz integrieren, gehen wir davon aus, dass wir das, was wir sagen, bekräftigen. „Es hat tatsächlich funktioniert“, „es ist wirklich passiert“, „ich war tatsächlich dort“. Aus meiner Sicht steckt dahinter eine Unsicherheit, ob meine Zuhörenden mir vertrauen und glauben, was ich sage. Genau wie eigentlich und quasi sehen tatsächlich und wirklich für die Unsicherheit eine klare Position zu beziehen.

Das gleiche gilt für den Konjunktiv. Wenn jemand schreibt oder sagt „Ich würde mich freuen, Sie wiederzusehen“ oder „Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören“, dann stelle ich mir die Frage: Freut sich die Person nun oder nicht? Entweder freue ich mich, Sie zu wiederzusehen oder ich freue mich nicht. Ich würde mich freuen gibt es nicht. Auch wenn wir diese Formulierung gerne aus Höflichkeitsgründen verwenden, weicht sie unsere Aussage über die Wiedersehensfreude auf.
„Ich könnte mir vorstellen“, „ich würde gerne vorschlagen“, „das Produkt könnte Ihnen helfen“ oder „ich könnte Ihnen Informationen zuschicken“ sind auch solche Formulierungen, die keine Klarheit bei unserem Gegenüber schaffen. Völlig egal ob gesprochen oder geschrieben. Können Sie sich das vorstellen, oder nicht? Können Sie das vorschlagen oder nicht? Kann das Produkt mir helfen oder nicht? Schicken Sie mir die Informationen oder nicht? Für den Empfänger Ihrer Botschaft ist nicht deutlich, ob Sie das, was Sie ausdrücken wollen, genauso meinen.
Indem wir den Konjunktiv in dieser Form verwenden, schaffen wir Unklarheit statt Klarheit. Damit reden oder schreiben wir zwar, kommunizieren aber nicht zielgerichtet.

Auch unsere Mimik und unsere Gestik sind Übermittler von Botschaften. Selbst, wenn wir keine Silbe von uns geben. Zurücklehnen, hochgezogene Augenbrauen, zuckende Mundwinkel, Handbewegungen und Augen verengen oder weiten verraten, was wir denken oder fühlen. Nur wenige Menschen schaffen es, diese oftmals kleinen Bewegungen zu verstecken.
Unsere Mimik und unsere Gesten können das, was wir sagen, unterstreichen oder zunichtemachen. Eine weite Gestik, wenn wir über Nähe sprechen, eine Trauermiene, wenn wir über Freude sprechen, eine hochgezogene Augenbraue, wenn wir etwas glaubwürdig vermitteln wollen – wir können noch so kompetent sein oder die überzeugendsten Argumente und Produkte präsentieren, unsere Botschaft wirkt schwächer und wird im Zweifel nicht ernst genommen. Es fehlt das letzte Quäntchen Überzeugung.

Mir ist bewusst, dass die meisten Menschen, sobald sie die Schule verlassen haben, denken: Kommunizieren kann ich. Die Frage ist nur: Können Sie bewusst und zielgerichtet kommunizieren? Auch wenn wir seit vielen Jahren erfolgreich im Job sind, passiert es den meisten immer wieder, dass sie auf eine E-Mail nicht die gewünschte Antwort erhalten oder aus einem Gespräch heraus gehen und denken: Verflixt, was ist da schiefgelaufen?
Ganz oft sind es nur die kleinen Stellschrauben der Kommunikation, an denen wir drehen müssen, damit das Ergebnis das nächste Mal so ist, wie wir es uns wünschen. Es beginnt schon damit, dass wir uns ein wenig mehr Zeit für unsere Kommunikation nehmen. Statt einfach drauflos zu sprechen oder zu schreiben, reflektieren Sie Ihr Kommunikationsverhalten:

➔ Prüfen Sie, ob Sie an jeder Stelle klar formulieren oder ob Sie nicht doch ein Lieblingsfüllwort haben, das Ihrer Überzeugungskraft den Rang abläuft.
➔ Unterstreichen Ihre Gesten und Ihre Mimik das, was Sie sagen?
➔ Steigen Sie in die Schuhe Ihres Gegenübers, wenn Sie eine E-Mail oder eine Chat-Nachricht formulieren und überlegen Sie, ob Ihre Wortwahl verständlich, zielführend und verbindlich ist.
Dann dürfte es eigentlich keine Missverständnisse mehr geben …
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