Sanierung ist kein Wunschkonzert – sie verlangt klare Schnitte

Robert Brech führte Kaut-Bullinger durch eine nicht unkomplizierte Planinsolvenz mit dem Ziel einer langfristigen Positionierung in einem schwierigen Markt-Umfeld. Im Gespräch erklärt er, warum Händler häufig zu spät reagieren, welche Rolle Verbundgruppen wirklich spielen und weshalb der stationäre Einzelhandel nur mit einem klaren Profil Zukunft hat.

Herr Brech, wie unterscheiden sich Planinsolvenz, Regelinsolvenz und Liquidation?
Brech: In der Planinsolvenz bleibt das Management handlungsfähig. Wir legen Gläubigern und Gericht einen Sanierungsplan vor und führen das Unternehmen selbst weiter. Bei Kaut-Bullinger hat das Schutzschirmverfahren genau dafür den Rahmen geschaffen. Die Regelinsolvenz §15a (InsO) funktioniert anders. Dort übernimmt der Insolvenzverwalter, der Unternehmer verliert den Einfluss. Das kann sinnvoll sein, wenn intern keine Einigkeit mehr besteht und das Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig ist. Liquidation ist der geordnete Rückzug. Wenn das Geschäftsmodell keine Perspektive mehr hat, ist sie oft der klarste, wenn auch härteste Weg und nicht selten eine teure Entscheidung. Sehr wichtig ist, dass der richtige Zeitpunkt für die Anmeldung der Insolvenz nicht verpasst wird, wodurch ein Tatbestand der Insolvenzverschleppung ausgelöst werden würde. Ich erlebe immer wieder, dass bei der Einschätzung wann nicht mehr aufgeschoben werden kann und darf, die Zahlungsunfähigkeit im täglichen Fokus steht. Nicht die Überschuldung obwohl sie den gleichen Stellenwert hat.

Wann ist eine Planinsolvenz überhaupt sinnvoll?
Brech: Nur wenn der Kern des Geschäftsmodells trägt. Bei Kaut-Bullinger passten Kostenstruktur, Organisation und Bilanz nicht mehr – aber Marke, Kundenbeziehungen und B2B-Kompetenzen waren stark. Entscheidend sind belastbare Zahlen, ein realistisches Zielbild und Gesellschafter, die unbequeme Schritte akzeptieren. Banken und Lieferanten müssen Vertrauen haben, zudem ist es eine juristische Voraussetzung, dass das Unternehmen vor Beantragung der Planinsolvenz beim Amtsgericht mindestens für die Dauer von sechs Monaten noch liquide und somit durchfinanziert sind. Dazu kommt professionelle externe Beratung in Restrukturierung und Insolvenzrecht. Ohne diese Kombination funktioniert kein Plan.

Welche Rolle spielen Betriebsrat und Gewerkschaften?
Brech: Der Betriebsrat ist zentral. In Krisensituationen ist er Stimmungsbarometer und Partner zugleich. Transparenz ist entscheidend, sonst verliert man jede Glaubwürdigkeit. Bei tarifgebundenen Unternehmen kommen Gewerkschaften hinzu. Dort werden die harten Themen verhandelt, etwa Sozialpläne. Wer sauber kommuniziert und Zusagen einhält, kommt besser durch diese Phase.

Wie agieren Einkaufsverbände in einer Krise?
Brech: Verbundgruppen sind Stabilitätsfaktor und Druckpunkt zugleich. Konditionen, Zentralregulierung und Logistikleistungen entscheiden über die Wettbewerbsfähigkeit. In einer Sanierung prüfen Verbände sehr genau, ob ein Mitglied langfristig tragfähig ist. Wenn der eigene Plan überzeugt, wird der Verband zum starken Partner. Wenn nicht, entsteht zusätzlicher Druck. Halbherzige Entscheidungen akzeptiert keiner.

Sie haben den stationären Einzelhandel von Kaut Bullinger konsequent zurückgebaut. Warum dieser harte Schnitt?
Brech: Die Wahrheit ist einfach. Die Innenstadtmieten in München, sinkende Frequenzen, Onlinewettbewerb und Corona haben die Ertragskraft des stationären Geschäfts zerstört. Wir haben die Filialen nicht aus Laune geschlossen, sondern weil sie trotz vieler Maßnahmen strukturell keine auskömmlichen Beiträge mehr geliefert haben.

Das Haus in der Rosenstraße war emotional ein Stück Stadtgeschichte. Wirtschaftlich wurde es zum Klotz am Bein, weil seit Mitte der 2000-er Jahre hohe Mieten wegen des nach jahrelangen erheblichen Verlusten erforderlich gewordenen Sale-und-Lease-Back-Verfahrens aufzubringen waren. Hohe Fixkosten, starke Abhängigkeit vom Tourismus, gleichzeitig Rückgänge im klassischen Büro und Schulgeschäft. Daher der Fokus auf B2B, Online und Dienstleistungen. Die Schließung war Teil eines strategischen Konzernumbaus, keine Panikreaktion. Wie konsequent und richtig diese Entscheidung war, sieht man unter anderem daran, dass Hirmer und Schuster ebenfalls ihre eigenen Immobilien verkauft haben und jetzt hohe Mieten zahlen müssen. Sanierung ist kein Wunschkonzert. Wenn Zahlen und Perspektive nicht stimmen, braucht es klare Schnitte.

Hat der stationäre Handel aus Ihrer Sicht überhaupt noch Chancen?
Brech: Ja, aber nur mit Profil. Beratung, Spezialisierung, lokaler Mehrwert – alles andere funktioniert nicht mehr. Die Zeit, in der ein großer Laden an guter Lage automatisch profitabel war, ist vorbei. Wer das ausblendet, riskiert den Gang ins Insolvenzverfahren.

Bedeutung haben Concession- und Shop-in-Shop-Modelle in Ihrem Konzept?
Brech: Shop-in-Shop funktioniert nur im klassischen stationären Handel. Bei Concession-Modellen handelt es sich um einen neuen Verkaufsauftritt. Konkret heißt das: der Concession-Geber stellt die Ware (ähnlich wie bei Konsignation) , die in dessen Eigentum bleibt, dem Concession-Nehmer auf fest definierten Sonderflächen zur Verfügung, meist in Kassennähe, zum Beispiel in Modemärkten. Das Abverkaufsrisiko ist kalkulierbar und verbleibt dauerhaft beim C-Geber. Der Concession-Nehmer muss sich nicht um die Aktualität der Ware kümmern und erzielt zusätzlichen Umsatz. Häufige Diskussionen sind idR die Inventurdifferenzen über dessen tatsächliche Höhe im Vorfeld geredet werden muss. Im Typ A stellt der Concession-Nehmer das Personal. Dafür ist die klassische Fee höher, meist zwischen 30 und 36 Prozent. Im Typ B stellt der Concession-Geber das Personal. Dann ist die Provision niedriger und liegt zwischen 24 und 30 Prozent.

Was hat den Turnaround bei Kaut-Bullinger ermöglicht?
Brech: Ein Bündel an Maßnahmen. Rückbau defizitärer Flächen. Konzentration auf B2B, Office Design, Services und 3D-Druck. Effizienzprogramme in Prozessen und Organisation. Ein großer Hebel war die Auslagerung von Einkauf und Logistik an Soennecken in diesem Geschäftsjahr – das senkte Bestände und Kosten erheblich. Die Planinsolvenz gab uns den rechtlichen Rahmen für die Bereinigung der Altlasten. Entscheidend war ein Team, das konsequent nach vorn gearbeitet hat. Unsere Gesellschafter haben durch Einsatz erheblicher privater Mittel die finanzielle Basis geschaffen, so dass auch unsere Finanzierer an Bord geblieben sind.

Wie führt man ein Unternehmen mit heterogener Gesellschafterstruktur?
Brech: Mit Klarheit und Geduld. Unterschiedliche Interessen gehören dazu. Der Geschäftsführer oder Vorstand, muss moderieren, aber gleichzeitig Entscheidungen durchsetzen. Während der Restrukturierung bei KaBuCo hat die spätere Konzentration der Anteile vieles vereinfacht. Die Erwartungen wurden dadurch nicht kleiner. Familienunternehmen wollen harte Zahlen und ein glaubwürdiges Zukunftsbild.

Wie beurteilen Sie den Einsatz von Beratungsinstituten?

Brech: Man braucht Berater, die Erfahrung aus echten Sanierungen mitbringen und operativ mitarbeiten. Große Beratungen liefern häufig exzellent ausschauende Präsentationen mit vielen Seiten, aber wenig Umsetzung. Hier bemängele ich deutlich, dass viele Beratungshäuser, im Besonderen die bekannten Großen, nicht nur Unsummen in den großen Konzernen, aber viel schlimmer gleichermaßen, im Mittelstand verschlingen. Dann sind viele dieser Berater nach Auftragsbeendigung weg und tragen keine Verantwortung für ihre bezahlten Beratungen. Kostensenker wiederum verlieren die strategische Perspektive. Für eine ernsthafte Sanierung muss man ein Budget im mittleren sechsstelligen Bereich einplanen. Wichtig sind klare Ziele, messbare Meilensteine und der Mut, die Zusammenarbeit zu beenden, wenn die vereinbarten Ziele nicht oder nur unbefriedigend erreicht werden.

Welche Bedeutung haben Personal- und Flächenproduktivität?
Brech: Sie sind die zentrale Steuerungsgröße. Umsatz allein sagt wenig. Entscheidend ist der Rohertrag pro Quadratmeter und pro Mitarbeiter. Diese Kennzahlen zeigen, ob ein Konzept trägt. Bei Kaut-Bullinger haben wir jede Fläche und jedes Team danach beurteilt. Wo es trotz Maßnahmen dauerhaft nicht funktionierte, mussten wir handeln. Das sichert am Ende das Gesamtunternehmen.

Warum ist B2B für Sie der stabilere Bereich?
Brech: Weil es über Verträge, Projekte und Dienstleistungen planbarer ist. B2B basiert auf Lösungen, nicht auf Laufkundschaft. Der klassische PBS-Laden ist stärker von Impulsen, Saison und Preisaktionen abhängig. In komplexen Unternehmensstrukturen bietet B2B daher die verlässlichere Basis.

Was raten Sie Geschäftsführern und verantwortlichen Vorständen, die über eine Planinsolvenz nachdenken?
Brech: Früh und konsequent handeln. Daten brutal ehrlich betrachten. Sich von lieb gewordenen, aber unprofitablen Strukturen trennen. Und die Menschen mitnehmen. Eine Planinsolvenz ist kein Makel, sondern ein Instrument. Wer es professionell vorbereitet, kann ein Unternehmen stabilisieren und in eine neue Zukunft führen.
kautbullinger.de
rbc-consulting.de

Kurzcharakteristik

Robert Brech gilt im deutschen Handel als Sanierer mit klarer Handschrift. Er verbindet jahrzehntelange Führungserfahrung aus Warenhäusern und Filialunternehmen mit der analytischen Tiefe eines Restrukturierers. Sein Ansatz ist nüchtern und konsequent: Daten vor Emotion, Entscheidungen vor Hoffnungen.

Als Geschäftsführer und Berater führte er zahlreiche Unternehmen durch Transformationen – zuletzt Kaut-Bullinger, wo er mit einem straffen Sanierungsprogramm und dem Schutzschirmverfahren die Wende einleitete. Brech arbeitet stark KPI-orientiert, legt Wert auf transparente Kommunikation mit Betriebsräten, Gesellschaftern und Verbundgruppen und fordert klare Verantwortlichkeiten.

Im Handel ist er bekannt für seine pragmatische Art, komplexe Probleme auf Machbarkeit herunterzubrechen, für seinen Fokus auf B2B-Strukturen und für seine Überzeugung, dass stationärer Handel nur mit Profil und Produktivität überlebt. Seine Vita zeigt: Er ist keiner, der Prozesse beschreibt – er gestaltet sie.

Robert Brech, Dr. rer. nat. h. c.

Aktuelle Tätigkeit
Geschäftsführender Gesellschafter RBC Unternehmerische Beratungs GmbH & Co. KG, Hattersheim
Seit 2016 zudem Holding-/Konzern-Geschäftsführer Kaut‑Bullinger GmbH & Co.KG, Taufkirchen/München

Profil und Erfahrung
– Jahrzehntelange Führungserfahrung im stationären Einzelhandel – u. a. bei Kaufhof Warenhaus AG, Woolworth Deutschland GmbH & Co. KG, Wehmeyer GmbH & Co. KG, SinnLeffers und weiteren Handelsunternehmen.
– Seit 2009 mit RBC im Bereich Restrukturierung und Beratung tätig, zahlreiche Sanierungen und Neuausrichtungen bei Handels- und Dienstleistungsunternehmen begleitet.

Besondere Mandate & Funktionen
– Verantwortlich für Restrukturierung und strategische Neuausrichtung bei Kaut-Bullinger.
– Diverse Aufsichtsrats- und Beiratsmandate im Handel und in der Industrie.
– Mitglied im Wirtschaftsförderungsrat der Stadt Hattersheim (CDU-Fraktion).